Gemeinsam statt erschöpft
Wie wir durch neue Modelle wieder Kraft, Sinn und Freude finden.
Lieber Freund,
Wir sind vielleicht die ärmsten Menschen der Welt – nicht an Dingen, wohl aber an dem was zählt.
Wir haben volle Supermärkte, Häuser, Autos.
Aber wie viele Menschen kennst du, die wirklich glücklich sind?
Wie viele haben die Muße, Kunst zu schaffen, Kultur zu beleben oder einfach nur da zu sein?
Die meisten von uns rennen von morgens bis abends.
Wir halten Systeme am Laufen, die uns fesseln.
Wir erledigen Aufgaben, die uns nicht erfüllen.
Und wenn wir dann einmal Zeit hätten, fehlt uns die Kraft.
Denn tief in uns schreit etwas, und es schreit den ganzen Tag:
dass unsere Arbeit kaum echten Wert hat – außer einem Minimum zum Überleben.
Wir verbringen Stunden, Tage, Jahre mit Aufgaben, die nichts mit dem zu tun haben, was uns eigentlich lebendig macht.
Und das ist das wirklich Erschöpfende: nicht die Arbeit selbst, sondern das ständige Niederdrücken dieses Schreis nach Sinn. Kein Wunder, dass am Ende nichts mehr übrig bleibt.
Über diesen Schrei nach Sinn möchte ich ein andermal tiefer schreiben – über die persönliche Berufung, die jeder von uns in sich trägt.
Heute will ich bei etwas bleiben, das uns alle verbindet:
einen gemeinsamen Nenner, der uns allen Sinn gibt.
Es sind die sozialen Bande. Es ist Gemeinschaft.
Jeder Mensch hilft gern – wenn er den anderen mag und es ihn nicht übermäßig kostet.
Genau darin liegt ein Schlüssel: Wenn wir uns gegenseitig unterstützen, muss die Stimme in uns nicht länger niedergehalten werden. Wir füttern sie mit dem, was sie braucht: Sinn. Das Gefühl, etwas Gutes zu tun.
Und wenn wir es klug anstellen, haben wir am Ende sogar mehr als vorher – nicht nur innere Kraft, sondern manchmal auch ganz handfest.
Hier beginnt der Weg in eine andere Art zu leben. Und man sieht ihn schon – nicht in fernen Utopien, sondern hier, mitten unter uns.
Modelle, die die Zukunft tragen
Da ist die solidarische Landwirtschaft.
Menschen teilen das Risiko einer Ernte – und die Fülle auch. Statt anonym im Supermarkt einzukaufen, sind sie Teil eines Hofes. Sie kennen den Boden, auf dem ihr Gemüse wächst, und die Hände, die es ernten.
Für den Landwirt bedeutet das: Stabilität. Er weiß im Voraus, wie viele Menschen er versorgt und mit welchem Einkommen er rechnen kann. Für die Mitglieder bedeutet es: gesunde Lebensmittel, oft günstiger als Bio aus dem Supermarkt und die Gewissheit, dass ihr Geld nicht in Werbung und Zwischenhandel verschwindet, sondern direkt beim Bauern ankommt.
Oder Marktgärtnereien: kleine, hochproduktive Gemüsegärten zeigen, dass Landwirtschaft auch heute profitabel sein kann.
Es gibt sogar eine ARTE-Doku über ein Paar aus Norddeutschland, das nur rund 37 Stunden pro Woche arbeitete – und schon damals bei etwa 100.000 Euro Umsatz im Jahr lag. Bei vergleichsweise geringen Kosten. Das ist mehr als viele Menschen im Büro oder auf dem Bau jemals sehen. (Quelle ganz unten)
Und es geschieht im Einklang mit Boden, Pflanzen, Jahreszeiten und den Menschen, die sie versorgen.
Solche Modelle zeigen: Landwirtschaft muss kein Überlebenskampf sein. Sie kann eine stabile, erfüllende Lebensgrundlage sein – für Landwirte und für die Menschen, die sie versorgen.
Oder schau auf die Künstler:
Ein Musiker braucht heute fast eine Million Klicks auf Spotify, um 2.000 Euro zu verdienen. Dieselben 2.000 Euro bekommt er mit nur 230 echten Menschen, die seine Kunst feiern und bereit sind, zehn Euro im Monat zu geben, etwa über Substack. Dafür dürfen sie ihm zum Beispiel beim Schaffen über die Schulter schauen – oder einmal im Monat direkt mit ihm ins Gespräch gehen. Beziehung statt Klicks.
Es gibt schon mindestens ein Musiklabel, dass so arbeitet (Quelle ganz unten)
Und manchmal ist es auch ganz klein. Meine Nachbarin passt einmal die Woche auf unsere Tochter auf, dafür helfe ich ihr einmal im Garten. Für sie bedeutet es körperliche Entlastung. Für unsere Tochter Freude über die „Tante“. Für mich bedeutet es Zeit mit meiner Frau – Zeit, die wir sonst selten haben.
Dieses kleine Abkommen macht jeden von uns, selbst die Kleinste, "reicher".
Ob groß oder klein – in Landwirtschaft, Kunst, Nachbarschaft: überall zeigen sich neue Wege. Und ich glaube, dass es in jeder Branche und jedem Bereich möglich ist – im Handwerk genauso wie in der Gesundheit.
Welche Beispiele fallen dir ein, wo Menschen in deinem Umfeld schon neue Wege gehen?
Es geht, wenn wir den Mut haben, neu zu denken und uns direkt miteinander zu verbinden.
Ein schöneres Morgen
Stell dir vor, wie ein Platz klingen würde – ob im Dorf oder in der Stadt –, wenn die Menschen nach der Arbeit nicht erschöpft nach Hause eilen, sondern zusammen kochen, singen, spielen.
Stell dir Werkstätten vor, in denen Handwerk wieder Kunst ist. Möbel, die nicht nur halten, sondern Schönheit in sich tragen. Häuser, die nicht in Eile hochgezogen werden, sondern Generationen überdauern – gebaut mit dem Gedanken, dass Architektur ein Ausdruck von Kultur und Schönheit ist.
Stell dir ein Feuer vor, um das wir nach getaner Arbeit sitzen – nicht ausgelaugt, sondern erfüllt. Wir teilen Geschichten, Ideen, Lieder. Unsere Arbeit hat uns nicht ausgebrannt, sie hat uns genährt.
Kunst und Kultur wären nicht etwas, das wir mühsam am Wochenende auf Krücken hinter uns herziehen, sondern etwas, das im Alltag und in unserer Arbeit mitschwingt – selbstverständlich, leicht, wie frische Luft.
Das ist möglich.
Eine Gesellschaft, in der Arbeit Ausdruck unserer Mitte ist, nicht nur Notwendigkeit zum Überleben.
Doch dafür braucht es Mut – den Mut, alte Strukturen loszulassen und neue Modelle zu unterstützen.
Und es braucht das Bewusstsein, dafür was wir wirklich brauchen, und was wir geben können – so, dass es uns nährt, statt uns auszubrennen.
Was brauchst Du?
Wann hast du dir diese Frage zuletzt wirklich ehrlich gestellt?
Wir sind es gewohnt, in Geld zu denken. Aber oft sind es nicht Euros, die uns fehlen, sondern Energie – körperlich, mental, emotional.
Und manchmal können wir etwas geben, das uns gar nicht müde macht, sondern uns selbst nährt.
So entstehen Situationen, in denen alle gewinnen.
So entsteht eine neue Ordnung – nicht geplant, sondern gewachsen, aus dem, was jeder wirklich braucht und geben kann.
Bis dahin müssen wir im Kleinen üben. Wir müssen lernen, um Hilfe zu bitten und über Ausgleich zu sprechen. Das ist unbequem. Das macht verletzlich. Aber was ist die Alternative? Weitermachen wie bisher, bis wir alle im Hamsterrad zerbrechen?
Ich glaube, wir sind bereit für mehr Wahrhaftigkeit. Für mehr Verbindung. Für weniger Angst – und mehr Vertrauen.
Es ist Zeit, dass wir uns zusammentun. Wobei brauchst du gerade Hilfe? Und was kannst du mit Leichtigkeit geben?
Vielleicht ist es Zeit für ein Gespräch mit dem Nachbarn. Vielleicht ist es Zeit, den Künstler direkt zu unterstützen statt über Plattformen. Vielleicht ist es Zeit, beim Biomarkt nach einer Gemüsekiste zu fragen.
Vielleicht ist es einfach Zeit, verletzlich zu sein.
Zu sagen: „So wie es ist, funktioniert es nicht für mich. Können wir es anders versuchen?“
Ein gemeinsames Morgen beginnt nicht irgendwann – es beginnt, wenn wir den Mut haben, uns zu öffnen, um die Abmachungen zu finden, die uns nicht erschöpfen, sondern reich machen.
Herzlichst,
Dominik
PS.: Wenn du mit deinem Projekt, deinem Unternehmen oder deinem Wirken selbst Teil dieses Wandels sein willst, begleite ich dich gern ein Stück auf diesem Weg.
Hier erfährst du mehr über meine Arbeit:
Quellen:
Arte Doku:
Das Musik-Label:



Wir haben langsam damit begonnen. Irgendwie ist es schwer, manchmal ohne zu wissen, warum eigentlich. Alle sind so ans Einzelkämpfertum gewöhnt, so auch wir.
Wir kriegen jetzt Gemüse von einem Hof in der Nähe und wir tauschen Eier mit Nachbarn gegen Brennholz. Kinderbetreuung durch die Nachbarn? ;) Ich bin neidisch. Aber wir hätten es organisieren können und haben es nicht getan. Naja, wir wachsen da noch rein.
(Vorletztes Jahr waren wir mit den Kindern bei einer reinen Elterninitiative statt Kindergarten. Die hat nicht gut funktioniert, weil die meisten Eltern eigentlich überlastet waren und dadurch alle möglichst wenig in die Kinderbetreuung investieren wollten. Das war schade. Ich vermute, dass es ein Spiralprozess aus dem Hamsterrad heraus sein muss, dass man nicht zu viel auf einmal von sich oder den anderen wollen darf.)
Vielen Dank für die Anregungen.